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Chefsache Innovation

  • ghochstein
  • 18. März
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 3. Apr.

Sie kommen heute einfach nicht mehr daran vorbei - auf fast jeder Website, in bald jeder Talkshow und Unternehmenspräsentation begegnet Ihnen irgendwann Innovationen als der Schlüssel für die wirtschaftliche (oder gesellschaftliche) Weiterentwicklung. In der Regel verbunden mit dem Verweis auf die jeweils eigene große Innovationskraft. Wenn das in dem medialen Lärm dieser Tage zu schwach daherkommt, eskaliert man gerne noch verbal hoch zur Disruption. Es ist im Sinne einer wirksamen Außenwahrnehmung gut und richtig, der Öffentlichkeit starke Botschaften zur eigenen Innovationskraft zu senden, egal wie faktisch wirksam und erfolgreich die eigenen Bemühungen dazu aktuell sind. Intern müssen Sie jedoch zuerst sicherstellen, Innovation als Kernelement in Ihre Strategie einzubauen, sie zu nutzen und auch konsequent umzusetzen. Ein zentraler Teil der Innovationsarbeit ist darum Chefsache, nämlich der strategische Part mit der Ausrichtung, Animation und Möglichmachung von Innovation im eigenen Unternehmen. Innovation "machen" und umsetzen ist hingegen Sache der Organisation und des Teams. Schauen wir hier und heute mal auf die strategischen Aspekte von Innovation und damit in das Aufgabenbuch für Sie, wenn Sie Chef sind (oder in welcher Form auch immer wesentliche Entscheidungen zu Innovation treffen dürfen).

 


„Innovation ist, wenn der Kunde Hurra schreit, sein Portemonnaie zückt und zur Kasse rennt“ – diese schöne Definition von Innovation stammt von Anja Förster und Peter Kreuz aus ihrem sehr lesenswerten Buch „Alles, außer gewöhnlich“. Wie jede andere Unternehmensaktivität in einem auf Exzellenz ausgerichteten Unternehmen auch benötigt die Innovation einen klaren Zweck, ein eindeutiges „Wozu“. Innovation muss beizeiten direkt oder indirekt positiv auf Ihre Profitabilität und weitere Faktoren wie die Resilienz, „Enkelfähigkeit“ oder Attraktivität Ihres Unternehmens einzahlen. Das bedeutet ausdrücklich nicht, dass jede Innovation gelingen muss. Innovation ist ein unsicheres Geschäft, sie enthält per se keine Geling-Garantie, sonst wäre sie ja keine Suche nach einer wirklichen Neuerung. Echte Innovation ohne Fehlversuche funktioniert auch nicht. Innovation benötigt Fehlversuche, um zu lernen und auch mal iterativ weiterzukommen. Sie benötigen nur die Fähigkeit, wirklich „tote Pferde“ in der Innovation zu erkennen und diese dann auch loszulassen. Aber dazu soll an anderer Stelle berichtet werden.


Aus der strategischen Perspektive geht es um etwas anderes. Wenn Sie eine Innovationsaktivität beginnen, sollten Sie ausreichend genau bestimmen, auf welche Ihrer strategischen Ziele diese Innovation einzahlen soll und in welcher Größenordnung. Das setzt voraus, dass Sie als Unternehmen eine klare Mission haben (mehr zur Mission finden Sie hier) und ebenso eine verständlich ausformulierte Strategie mit Klarheit über Ihre strategischen Ziele (mehr zu Strategie finden Sie hier). Controllerfest genau können Sie künftige Wertbeiträge von Innovationen nicht planen, aber in der Größenordnung genau genug bestimmen und abschätzen, das geht schon recht gut. Solche Abschätzungen reichen immer, um Ihnen gute Entscheidungen im Portfolio der Ideen und Innovationsprojekte zu ermöglichen. Gute strategische Steuerung von Innovation sichert Ihre Effektivität, sie ist Ihre ausgeprägte Fähigkeit, faktenbasiert das Richtige zu tun. Sobald Sie Ihre geplanten Innovationsaktivitäten an Ihren strategischen Zielen und an Ihrer Mission ausrichten, stellen Sie weitgehend sicher, dass Ihre Organisation fokussiert nur an den Themen arbeitet, die für Sie als Unternehmen und für Ihre Kunden einen Mehrwert erzeugen. Das ist Ihr größter Stellhebel und Ihr wichtigster Erfolgsfaktor für strategisch wirksame Innovationsarbeit.


Eine weitere Aufgabe liegt darin, eine methodisch gut befähigte interne Organisation für die Innovationsarbeit aufzustellen und diese mit einem starken Mandat sowie den notwendigen Ressourcen auszustatten. Das bedeutet nicht automatisch eine „Innovationsabteilung“ oder ein „Innovation-Hub“. Das bedeutet auch nicht automatisch große oder unbegrenzte Budgets und Ressourcen. Gerade die Frühphasen-Innovation, die Ihre Fragen nach dem „Wozu“ klärt und erste Lösungsansätze entwickelt, kann durchaus mit begrenzten Ressourcen und auf agile Art erfolgen. Viele verschiedene Wege und Strukturen führen zu wirksamer Innovation. Dabei ist, egal wie Sie sich organisieren, die Vielzahl der verschiedenen Perspektiven in Ihrer Innovationsarbeit ein wesentlicher Treiber von Qualität, Effizienz und Erfolgswahrscheinlichkeit. Die kommt innen von Ihren Forschern (wenn Sie welche haben) und Ihren Entwicklern, aber auch von Ihren Leuten aus der Produktion. Fast noch wichtiger sind die Externen, Ihre Kunden, Lieferanten oder sonstigen Partner, die Ihnen ein Bild von dem vermitteln können, worauf die Welt draußen wartet. Dort lernen Sie, mit welchen neuen Lösungen Sie vermutlich mindestens Erfolg, vielleicht sogar eine temporäre Alleinstellung erreichen können. „Innen“ sichern Sie eher die Effizienz Ihrer Innovationsarbeit, „außen“ eher die Effektivität.


Innovation findet auf verschiedenen Ebenen statt. Im Anspruch und in der Wahrnehmung bei den meisten öffentlichen Diskussionen dazu gewinnt man den Eindruck, dass Innovation mindestens das Finden der neuen Weltformel bringen muss. Das tatsächlich Erreichte steht dann häufig im diametralen Kontrast dazu. Fatal wird es, wenn Sie sich einreden lassen, dass Ihre Innovationen entweder „gut“ (also groß, extern wirksam, disruptiv) oder „schlecht“ (intern, inkrementell und ohne Außenwirkung) sind. Innovationen können für Ihre Zwecke passend oder unpassend sein, ebenso wirksam oder eher unwirksam. Das sind die Kategorien und Bewertungen, die bei Ihrer strategischen Innovationsarbeit und Steuerung wirklich von Bedeutung sind. Lösen Sie sich von emotionalen Kategorien bei der Bewertung Ihrer Innovation und schauen Sie einfach, wie gut Ihre Innovationen auf Ihre Zwecke und Ihre strategischen Ziele einzahlen – that´s it.



„Market Pull“ und „Technology Push“ sind zwei weitere wichtige Kategorien bei der strategischen Steuerung Ihrer Innovation -  und nebenbei noch eine Mindset-Frage für Ihre Perspektive auf Unternehmensentwicklung. „Market Pull“ ist die Königsdisziplin der Innovationsarbeit, denn nur sie sichert die langfristig richtige Positionierung Ihres Unternehmens und Ihrer Produkte - vorausgesetzt, Sie beschäftigen sich regelmäßig mit der "Welt draußen" und sprechen mit Ihren Kunden und den anderen relevanten Marktteilnehmern. "Technology Push" müssen Sie im Innovationskontext jedoch ebenso beherrschen, denn neue Anforderungen von außen erfordern innen regelmäßig neue Kompetenzen, Produkte und technologische Lösungen.


Früher und teils noch heute leisten Unternehmen Innovationsarbeit gerne im "Technology Push"-Modus. Ein Beispiel: in früheren Jahren bestand für viele Entwickler in der Automobilindustrie Innovation schon darin, der nächsten Generation einen noch dickeren Motor und breitere Reifen zu verpassen. Bezeichnen wir diesen Typus Innovatoren der Einfachheit halber als "Petrolheads". Ihre Art von Innovation folgte ihrer eigenen dominanten Logik und führte nur zu einer linearen Weiterentwicklung von Fahrzeugen. Ob das zu dem Zeitpunkt noch die wichtigsten und einzigen Kundenbedürfnisse waren, spielte dabei für sie keine nennenswerte Rolle. Heute sind Entwickler und Innovatoren mit einem "Petrolhead"-Mindset, so es sie irgendwo noch gibt, ein ernsthaftes Risiko für die langfristige Unternehmensentwicklung. "Technology Push" ist eine notwendige Fähigkeit, ein Element des taktischen Managements, welches notwendig ist, um neue Marktanforderungen auch wirklich bedienen zu können. "Technology Push" kann wirksame "Market Pull"-Arbeit nicht ersetzen.


Nutzen wir zur Verdeutlichung noch ein wunderbares Sprachbild von Prof. Dr. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Institutes. Er beschrieb während einer Podiumsdiskussion vor einigen Jahren die Arbeit von Wirtschaftsforschungsinstituten sinngemäß wie folgt, als er nach der manchmal niedrigen Trefferquote der Prognosen gefragt wurde: "Sie müssen sich das wie folgt vorstellen: sie fahren zu Zweit im Auto. Vorne am Lenkrad sitzt einer, der hat die Augen verbunden und fährt. Hinten auf der Rückbank kniet einer und schaut zum Rückfenster raus. Der erzählt dem vorne, wohin er fahren soll." Das ist Innovation ohne Market Pull.


Die oben gezeigte Pyramide der Evolutionsstufen der Innovationsarbeit lässt sich einfach in drei Abstufungen beschreiben:

Die interne Innovation…

… schafft die Voraussetzungen für die externe Innovation und im Idealfall sogar für Disruption und Alleinstellung. Sie beinhaltet meine eigene Beschäftigung mit der Weiterentwicklung meiner Produkte und meiner Fertigung. In negativer Ausprägung ist das der „Petrolhead“-Mindset, in positiver Ausprägung jedoch das taktische Management und damit die Schaffung aller notwendigen Voraussetzungen für wirksame externe Innovation.

Die externe Innovation…

… umfasst jede gemeinsame Aktivität mit Kunden, Lieferanten oder sonstigen Partnern, um miteinander einen Entwicklungsschritt in der gemeinsamen Wertschöpfungskette zu gehen. Das beginnt mit der objektiven Verwendung aller Kundenrückmeldungen wie zum Beispiel Reklamationen und geht bis zu gemeinsamen Workshops und Aktivitäten. Im Fokus steht die Weiterentwicklung des Bestehenden, des „Steady State“. So bekommen Sie den "Market Pull" und damit die hilfreiche Außenperspektive in Ihre strategischen und operativen Innovationsprojekte hinein, das sichert schon eine hohe Wirksamkeit. Der Übergang zur dritten Ebene, dem Streben nach Disruption und Alleinstellung, ist fließend, denn Sie reden ja gottseidank schon mit der Welt draußen und legen so die Saat auch für gänzlich neue Lösungen.

Disruption und Alleinstellung…

… benötigt noch einmal eine andere Perspektive und einen anderen Auftrag an die Beteiligten. Hier geht es nicht mehr um die „Verbesserung des Vorhandenen“, sondern um einen S-Kurven-Sprung auf ein neues Geschäftsmodell, eine völlig neue Wertschöpfungsarchitektur und damit verbunden radikal neuen Produkten oder Technologien. Das beinhaltet dann zusätzlich das bewusste "Loslassen" aller bisher geltenden Erfahrungen und Glaubenssätze, zum Beispiel zu den eigenen Produkten oder dem zu Grunde liegenden Geschäftsmodell.


Sie können Ihre Innovationsaktivitäten mit den vorgenannten Werkzeugen und nach den genannten Katergorien gut steuern. Sie sind selbst am besten in der Lage, einzuschätzen, an welcher Stelle und auf welchem Niveau Sie aktuell Innovationsarbeit leisten müssen. Die strategische Steuerung Ihrer Innovationsaktivitäten braucht natürlich einige Daten und Informationen mehr, aber dazu können Sie ein recht einfaches und pragmatisches  Steuerungssystem sowohl für die strategische als auch für die operative Führung Ihrer Innovationen einrichten. Startpunkt ist die klare Beschreibung der Zwecke Ihrer Innovationsarbeit und eine ausreichend präzise Antwort auf die Frage nach dem „wozu / wofür“. Damit sind Sie schon gut auf Kurs für die strategische Steuerung Ihrer Innovationen. Die "Chefsache Innovation" ist wahrlich keine Zauberei, sondern strukturierte und handwerklich saubere Managementarbeit. Probieren Sie es einfach aus, es lohnt sich sehr!


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Quelle: Pixabay / www.pixabay.com   Urheber: ernie114    Lizenz: Pixabay-Lizenz


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