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ghochstein

Kirk an Brücke

Was haben wir damals mit Captain Kirk, Mr. Spock und der Besatzung der USS Enterprise mitgefiebert, wenn sie ihre Abenteuer in den unendlichen Weiten des Weltraums bestanden. Und wie es einem guten Captain ansteht, erlebte James T. Kirk viele seiner Abenteuer irgendwo außerhalb seines Raumschiffes – oder wird sie irgendwann im 23. Jahrhundert erleben, wenn es denn so kommt.


Nun war oder wird das Raumschiff USS Enterprise ein ziemlich komplexes System sein. Der Dreh- und Angelpunkt in den frühen Star Trek Filmen war die Brücke des Raumschiffs, und mehr als einmal wandte sich Captain Kirk hilfesuchend oder Befehle erteilend an sein Team dort. „Kirk an Brücke“ ist sicher als Filmzitat noch vielen von Ihnen in guter Erinnerung.

Können wir etwas von der USS Enterprise und Captain Kirk für unsere heutigen Unternehmen lernen? Bestimmt, denn Unternehmen sind ebenso komplexe Gebilde und nicht einfach zu steuern. Durch viele Einflüsse, zumeist von außen, steigt die Komplexität permanent weiter. Wo aber findet sich für das Unternehmen insgesamt oder für einzelne komplexe Projekte und Aufgaben die Brücke, der zentrale Ort, von dem aus das Unternehmen gesteuert und die ganze Komplexität unter Kontrolle gebracht wird?

Die Unternehmenssteuerung von heute baut nicht unbedingt auf einem physischen Ort auf, sondern auf Softwaresystemen, Prozessen, Organigrammen, Meetings und damit auf einer Organisationsstruktur. Die Art, wie Steuerung und Kontrolle in Unternehmen erfolgen, unterscheidet sich schon lange von den frühen Formen der Führung und des Managements. Vor der Zeit von Bürogebäuden, Telefonen oder allen anderen digitalen Kommunikationsformen mussten die Menschen zusammenkommen und persönlich miteinander reden und verhandeln, wann immer es etwas zu führen oder zu erledigen galt. Rund um die Welt war die Form unterschiedlich, die Grundidee jedoch gleich – egal, ob auf einer Loya Gerga („große Versammlung“) der Paschtunen, einem Powwow nordamerikanischer Ureinwohner oder dem Wiener Kongress 1814 / 1815. Auf derartigen Zusammenkünften arbeiteten die Teilnehmer dediziert, also nur oder weitgehend dieser Sache gewidmet, und co-lokiert, also an einem gemeinsamen Ort. Gesprächspartner und Entscheidungsträger waren leicht und schnell greifbar, was Wartezeiten und Verzögerungen bei Klärungen und Verhandlungen reduzierte.

In der heutigen Unternehmenssteuerung diktiert typischerweise der Terminkalender der oberen Hierarchieebenen und der Führungskräfte den Takt, in dem Themen vorangetrieben werden. Die Orte, an denen persönlicher Austausch und Führung stattfindet, sind meist Büros und Besprechungsräume, die vielen verschiedenen Zwecken gewidmet und nicht auf ein bestimmtes Thema fokussiert sind. Die Wartezeiten bis zum nächsten Meeting zum jeweiligen Thema bringen Projekte durchaus aus dem Takt und sind im schlechtesten Fall Verzögerungen. Oft fehlen in den Meetings genau die Fachleute, die über die notwendigen Informationen für Aktionen und Entscheidungen verfügen, so dass das Thema auf das nächste Meeting verschoben werden muss. Es gibt also durchaus gute Gründe, bei großen und wichtigen Themen einen physischen Ort, eine „Brücke“ für die Steuerung der Aktivitäten und als Treffpunkt für die Beteiligten einzurichten, um die Nachteile des heute üblichen Managementverhaltens zu überkommen.

Toyota stand in den 1990er Jahren bei der Entwicklung der ersten Modellgeneration des Prius unter einem enormen Zeit- und Innovationsdruck. Sie wandten darum damals ein neues Prinzip bei der Durchführung des Projektes an. Das gesamte Entwicklungsteam arbeitete, soweit möglich, in einem großen Raum zusammen. Der Prototyp des Autos entstand mitten in diesem Raum, so dass jeder zu jeder Zeit am lebenden Objekt den Stand es Projektes sehen konnte. Das entscheidende Merkmal war aber eben jenes, dass ähnlich den früheren Versammlungsformaten die beteiligten Menschen örtlich zusammen waren und so schnell und ohne Verzögerungen oder Wartezeiten über Schnittstellen und Funktionen hinweg Fragen klären und Hindernisse beseitigen konnten. Dieses Prinzip heißt Obeya (japanisch „Großer Raum“) und wird schon vielfältig und erfolgreich eingesetzt.

Neben der co-lokierten und bevorzugt auch dedizierten Arbeitsweise in einem Obeya braucht es weitere Stellhebel, um die mögliche drastische Steigerung von Geschwindigkeit und Wirksamkeit bei der Umsetzung komplexer Themen zu erreichen. Obeya ist also nicht nur der Ort, sondern auch eine andere Art von Managementprozessen, Regeln und Führungskultur. In einem wirksamen Obeya findet sich umfangreich visuelles Management. Ziele, Status, Metriken, Hindernisse und Aktivitäten sind in geeigneter Form sichtbar. Lange, selten stattfindende Meetings sind durch kurziterative und kurze Meetings ersetzt, so dass sich die richtigen Leute für jede Form von Aktivität und Entscheidung schnell treffen können. Regeln und Takt solcher Meetings sind fix, so dass die aufwändige, Wartezeit und Zeitverschwendung verursachende Terminabstimmung von Meetings mit mehreren Teilnehmern nahezu entfällt. Das Wichtigste aber ist und bleibt, dass hier die beteiligten Menschen schnell , direkt und ohne vorausgehenden Administrationsaufwand miteinander sprechen und agieren können.

Wenn Sie also Ihre nächste Herausforderung immer noch nicht in den unendlichen Weiten des Weltraums, sondern bei der Bewältigung einer irdischen Aufgabe wie einem komplexen Projekt unter Zeitdruck finden, ist Obeya ein wirksames Werkzeug für bessere und schnellere Ergebnisse. Die Obeya-Logik können Sie auf nahezu allen Hierarchiestufen Ihres Unternehmens einsetzen, sie ist nicht alleine auf komplexe Projekte beschränkt. Gut umgesetzt, kann Obeya ein großer Schritt in Richtung Warp-Antrieb für Ihre Transformation werden. Captain Kirk lässt herzlich grüßen.


Literatur zum Thema: „Führen mit Obeya“ von Tim Wiegel


Bildnachweis:

Quelle: Pixabay / www.pixabay.com Urheber: p2722754 Lizenz: Pixabay-Lizenz

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