Reden Sie auch den ganzen Tag mit sich selber? Tun Sie ganz bestimmt, wenn wir den Hirnforschern und Psychologen glauben schenken. In unseren Köpfen kreisen beständig Gedanken zu allen möglichen Themen. Mehr oder weniger wichtig, meist unsortiert, oft zufällig. Aber der Funkverkehr ist da. Nur wenige von uns bekommen es hin, immer zielgerichtet und sortiert oder zur Abwechslung einmal nicht zu denken, also den Funkverkehr im Gehirn bewusst zu steuern. Reicht schon die Bewältigung der üblichen Routinen des Alltages, uns gedanklich auf Trab zu halten, wird es erst richtig vogelwild im Kopf, wenn wir uns mit neuen und noch unbekannten Themen befassen dürfen.
Transformation und Innovation führen Sie also sehr sicher in eine hohe kognitive Aktivität und Anstrengung. Fortschritt und Veränderung erfordern viele neue Lösungen, die Sie nicht gleich automatisch und intuitiv zur Hand haben. Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann entwickelte Anfang der 2000er Jahre das Modell des "schnellen" und des "langsamen" Denkens. Erstes steuert und prägt unsere Routinen und Intuitionen und bestimmt unter anderem unser Handeln, wenn wir Dinge wiederholt tun. Letzteres aktivieren wir, wenn wir wirklich „nachdenken“ müssen, um neue Lösungen für neue Herausforderungen zu finden. Das „langsame“ Denken strengt uns im Vergleich zum „schnellen“ Denken mehr an und benötigt mehr unserer Energie. Der Weg zu wirklich neuen Lösungen führt aber nur über das „langsame“ Denken.
Wenn Sie nun schon die Energie und Kraft investieren, sich gedanklich mit einem neuen und kognitiv anstrengenden Thema zu beschäftigen und dazu Ihr „langsames“ Denken aktivieren, dann sollten Sie dabei das bestmögliche Ergebnis erreichen. Doch auch das beste „langsame“ Denken garantiert noch keinen sicheren Erfolg. Es lauern weitere Hürden und Fallstricke, beginnend bei den Denkfallen oder Biases, denen wir nur zu gerne anheimfallen. Oft mischt in unserem Kopf unbewusst zusätzlich noch eine Art innerer Zensor mit, der uns Denkschranken auferlegt. Ähnlich den Censoren im römischen Reich ab dem 5 Jahrhundert v.Chr., die Amtsträgern und Bürgern Rechte zuweisen oder entziehen konnten, wacht unserer innerer Zensor darüber, wie mutig weit oder ängstlich eng wir bei der Suche nach neuen Lösungen denken – und vermutlich auch, wie mutig weit wir unserer Ziele stecken.
Ein sehr menschlicher Reflex, kommend aus unserem Sicherheitsbedürfnis, liegt darin, Ziele so zu setzen, dass wir sie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erreichen werden. Derartige Ziele sind in der Regel nur wenig ambitioniert und treiben weder Innovation noch Disruption und Transformation wirklich voran. Oft setzen wir uns diese Denkgrenzen selber, gerne mit Blick auf die Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen. Dabei geht es nicht nur um Geld und Zeit, sondern wesentlich um unser Wissen und unsere Kompetenzen. Ist dann noch unser Selbstvertrauen, uns in unbekannten Themen und unter einem hohen Maß an Unsicherheit gut zu bewegen, nur schwach ausgeprägt, findet der Zensor in unserem Kopf alles, was er braucht, um unseren Fortschritt erfolgreich zu behindern.
„After all, physicality has limitations, whereas the mind has none“ schreiben die Autoren Danny Xuan und John Little in ihrem Buch „The Tao of Wing Chun“. Dabei geht es zwar um die Kampfkunst Wing Chun und die Grenzen, an die der menschliche Körper irgendwann bei deren Ausübung gelangt. Das Prinzip aber beschreibt perfekt den hilfreichen mindset, der Ihre Erfolgschancen bei Ihren Transformationsaktivitäten dramatisch steigert. Sobald Sie sich bewusst machen, dass das Denken eben keine Grenzen hat, stellen Sie den Zensor in Ihrem Kopf kalt und Sie öffnen damit den gesamten Lösungsraum für Ihre Transformationsherausforderung. Gibt es doch irgendwann eine natürliche Grenze für die Lösung Ihres Transformationsproblems, finden Sie das schon rechtzeitig heraus. So lange gibt es keinen vernünftigen Grund, lediglich einen kleinen Teil des möglichen Lösungsraums zu betrachten. Innovation, Disruption und Transformation führen ja dazu, dass Grenzen immer wieder verschoben werden und Sie persönlich, Ihr Team oder auch der Rest der Welt wieder etwas Neues dazulernen. So lange Sie sich aber selber Grenzen dergestalt auferlegen, dass Sie Lösungen nur im bekannten Umfeld suchen und Sie auch Ihre Ziele so setzen, dass Sie mit dem heute Bekannten erreichbar sind, kann kein wirklicher Fortschritt und keine Transformation, die diesen Namen verdient, gelingen.
Überlisten Sie doch einfach den Zensor in Ihrem Kopf. Schalten Sie den Teil des Funkverkehrs in Ihrem Kopf, der Ihnen permanent Limits an Ressourcen, Fähigkeiten und Selbstvertrauen einredet, zwischendurch ausreichend lange und bewusst aus. Setzten Sie Ziele ohne die Einschränkungen des heute Bekannten. Natürlich kann und wird nicht alles genau so gelingen, wie Sie es dann planen. Aber Sie entkommen der Denkfalle der Selbstzensur und der Selbstbeschränkung, die Ihnen sonst jeden Schritt über die bekannten Grenzen hinaus von vorneherein unmöglich macht. Und wenn Ressourcen und Wissen Ihnen erst nur einen Schritt in die Richtung des großen Zieles erlauben, dann gehen Sie eben diesen. Schon damit verschieben Sie die Grenze dessen, was bislang möglich war oder was Sie bislang für möglich gehalten haben. Den Limits, die Ihnen die Außenwelt setzt, sollten Sie nicht erlauben, Ihre Lösungskreativität zu zensieren. Das können Sie mit einer Vielzahl von Methoden und mit gutem Coaching unterstützen. Dann hat es sich ausgebremst für den Zensor in Ihrem Kopf.
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